
Im Herzen Rumäniens - zwischen Burgen, Bergen und Bären
- Thomas Gräbel
- 7. Aug.
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Aug.
Eine Reise nach Rumänien bedeutet echtes Abenteuer und gilt noch als absoluter Geheimtipp. Das Land in Südosteuropa beherbergt nicht nur atemberaubende Schlösser und Burgen, sondern auch noch weitgehend ursprüngliche Landschaften und wilde Natur. Rumänien liegt an der Schwarzmeerküste und wird im Landesinneren von den mächtigen Karpaten durchzogen. Hier befindet sich auch der Lebensraum der größten, frei lebenden Bärenpopulation Europas. Das Land, dessen Fläche etwa zwei Drittel der Fläche von Deutschland entspricht, zählt gerade einmal 19 Millionen Einwohner und bietet daher viel Raum für die Entfaltung der Natur. Und diese zeigt sich in urwüchsigen und dichten Wäldern, weiten, kargen Hochebenen, felsigen Bergflanken und kristallklaren Seen. Eine Wildnis und Landschaft, die in Europa einzigartig ist. Vor allem Naturliebhaber kommen hier voll auf ihre Kosten. Neben der eindrucksvollen Natur, warten in Rumänien aber auch reiche Kulturschätze auf die Besucher. Nicht zuletzt aufgrund der bewegten Historie des Landes, sind heute unzählige prächtige Schlösser und Burgen zu bewundern. Und diese sehen nicht nicht nur wunderschön aus, sondern erzählen auch so manch vermeintlich gruselige Geschichte. Wir wollen euch in dieses spannende und vielfältige Land mitnehmen und zeigen euch auf unserer Rundreise die Highlights im Herzen Rumäniens.
Vorab wollen wir euch noch einige nützliche Informationen für eure Reise dorthin geben. Rumänien gehört seit 2007 zur Europäischen Union. Gezahlt wird allerdings mit der heimischen Währung, dem Lei. In den meisten größeren Ortschaften oder auch Restaurants werden jedoch auch Euro akzeptiert. Anders als viele denken, gilt Rumänien grundsätzlich als sehr sicheres Reiseziel. Abgesehen von üblicher Kleinkriminalität wie vereinzelten Taschendiebstählen und Trickbetrügereien kann man sich im Land sehr sicher bewegen. Die enorme Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Einheimischen ist überall zu spüren. Die beste Art und Weise um Rumänien zu bereisen ist definitiv mit dem Auto. Das Straßennetz ist gut ausgebaut, so dass viele Sehenswürdigkeiten bestens erreichbar sind. Das Klima im Land ist kontinental gemäßigt. Im Winter (Dezember bis März) wird es oft sehr kalt. Dann kommen die Wintersportler in den bergigen Karpaten Regionen voll auf ihre Kosten. Ab April beginnt der Frühling und die Temperaturen werden milder. Die beste Reisezeit für Aktivitäten ist dann natürlich der Sommer (Juni bis Ende September), wenn das Wasser des Schwarzen Meeres sich allmählich erwärmt und die Berghänge und Wiesen von einem bunten Blütenmeer durchzogen sind. Die Anreise nach Rumänien ist problemlos mit dem Auto möglich. Aber auch das Fluganbindung ist ausgezeichnet. Es gibt viele internationale Flughäfen an unterschiedlichen Standorten, die von Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten angeflogen werden, u.a. Bukarest, Cluj, Sibiu, Timisoara oder auch Iasi. Der Grundstein der heutigen rumänischen Republik wurde im Jahr 1859 gelegt, als sich die Fürstentümer Moldau und Walachei zum Fürstentum Rumänien zusammen schlossen. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen dann weitere Regionen, u.a. Siebenbürgen, zum Königreich Rumänien hinzu. Schließlich endete dieses wiederum mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Das Land fiel als sozialistische Republik unter den Warschauer Pakt und hatte viele Jahre unter der Besetzung der Sowjetunion zu leiden. Noch heute sind viele der grauen Sowjetbauten in der Hauptstadt Bukarest zu sehen. Erst mit dem Sturz der UdSSR konnte sich das Land schließlich von der Umklammerung befreien. Nicht zuletzt zeigte es im Jahr 2004 mit dem Beitritt zur NATO, dass der Blick inzwischen längst wieder in den Westen gerichtet ist. Die Religion spielt in Rumänien eine zentrale und wichtige Rolle. Fast 90 Prozent der Bevölkerung sind christlich-orthodox geprägt und die vielen Klöster und Kirchen gelten oft als heilige Stätten.
Wir starten unsere Rundreise durch Zentralrumänien mit einem Flug in die Hauptstadt Bukarest. Es ist Juli und das Thermometer zeigt über 30 Grad an. Die Luft steht und es ist drückend heiß. So verlassen wir mit unserem Mietwagen schnell den städtischen Großraum der 1,7 Millionen Einwohner Metropole und fahren Richtung Norden, Richtung Berge. Es wird höher und das Atmen fällt leichter. Nach etwa 1,5 Stunden erreichen wir unser erstes Ziel, das märchenhafte Schloss Peles in der Region Siebenbürgen. Oberhalb des hübschen Bergdorfes Sinaia thront die ehemalige Sommerresidenz der rumänischen Könige. Umgeben von dichten Wälder und den Hochebenen der Karpaten strahlen die weißen Gemäuer im Sonnenlicht. Das "rumänische Neuschwanstein" wurde einst zwischen 1873 und 1883 vom König Carol I. in einer Mischung aus dem Charme des Mittelalters und der Eleganz der Renaissance erbaut. Aber nicht nur das Bauwerk selbst ist eindrucksvoll, sondern auch die umliegende Natur. Die Gipfel des Nationalparks Bucegi an den Ausläufern der Südkarpaten erheben sich hinter den Türmen des Königsschlosses. Kein Wunder also, dass der einstige Fürst und spätere König Carol I. bei seiner Reise durch das Land genau diesen Ort zum Bau seines Sommersitzes auserkor. Der Eintritt ins Innere des Schlosses beträgt übrigens knapp 20 EUR (erstes und zweites Stockwerk). Frühes Kommen lohnt sich, denn gerade in den Sommermonaten kann die Warteschlange hier lang werden. Dafür gibt dann auch historisch wertvolle Kunstwerke zu bestaunen, u.a. Gemälde von Gustav Klimt. So oder so gehört das Schloss Peles zu den meistbesuchten und auch schönsten Sehenswürdigkeiten des Landes. Es zeigt eine wundervolle Symbiose aus historischer Baukunst und wilder Naturkulisse.
Die Reise durch Siebenbürgen geht weiter. Aber wahrscheinlich passt nun die andere Bezeichnung der Region besser zu unserem nächsten Reiseziel. Siebenbürgen wird auch als Transsilvanien bezeichnet. Und was verbindet jedes Kind mit Transsilvanien? Genau, Graf Dracula. Und genau dorthin geht es nun, besser gesagt zu seinem historischen "Sitz" im Schloss Bran. Mythen, Legenden und Sagen drehen sich um diesen Ort. Der Ursprung davon liegt im Bram Stockers Roman "Dracula". Das 1897 erschienene Werk des irischen Schriftstellers beschreibt in großer Ähnlichkeit Ort, Lage und Optik des Schlosses Bran und als historische Vorlage gilt der walachische Fürst Vlad III. Draculea (übers. "Sohn des Drachen"). Dieser herrschte im 15. Jahrhundert in der Walachei und war dafür bekannt seine Gegner und Feinde blutrünstig zu pfählen. So bekam er den Beinamen "Der Pfähler". Eine ideale Grundlage für eine Fiktion aus Geschichte und Legende. Und so wurde Vampir Dracula geboren. Obwohl Vlad III. selbst wohl nie in den Gemäuern lebte, lebt dort der Mythos von ihm bis heute. Das Schloss Bran befindet sich etwa 30 Kilometer unterhalb der Stadt Brasov und 1,5 Fahrstunden vom Peles Schloss entfernt. Ursprünglich hieß das Schloss "Törzburg" und wurde im Jahr 1377 als ungarische Grenz- und Zollburg errichtet. Über Jahrhunderte war die Burganlage umkämpft und belagert. Einst von Türken und Walachen eingenommen, fiel es 1916 wieder in das Königreich Rumänien zurück und wurde schließlich nach einer Schenkung an die rumänische Königin Maria von einem militärischen zu einem "Märchenschloss" umgebaut. Der Kult um Dracula begann dann nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und so wurde durch kluge Vermarktung einer der legendärsten und bekanntesten Orte Rumäniens erschaffen. Wieviel Wahrheit und Fiktion hier tatsächlich in den Mauern liegt, davon könnt ihr euch bei einem Besuch selbst überzeugen. Der Eintritt in das mittelalterliche Schloss kostet ca. 15 EUR für Erwachsene, der Gruselfaktor ist dafür unbezahlbar oder!?
Wir verlassen den sagenumwobenen Ort Bran und widmen uns nun der wundervollen Natur Rumäniens. Es geht zunächst in den Bucegi Nationalpark. Der aufmerksame Leser wird bereits erfahren haben, dass diese bergige Region der Südkarpaten das Schloss Peles umgibt. Also reisen wir kurz dorthin zurück. Die wilde und ursprüngliche Bergregion, deren höchster Gipfel die 2.500 Meter hohe Omu Spitze ist, gilt als Paradies für Wanderer und Freunde des alpinen Sports. Vom Ort Sinaia führen Seilbahnen nach oben und es gibt unzählige Wanderrouten in die unberührte Natur. Es ist aber gleichzeitig auch der Lebensraum für viele wilde Tiere wie Bären, Füchse und Luchse. Daher ist beim Wandern auch stets Rücksicht und Vorsicht geboten. Denn in Rumänien gehört der Lebensraum Mensch und Tier zusammen. Und diese Tatsache werden wir noch selbst hautnah zu spüren bekommen.
Denn wir fahren nun weiter auf der einzigartigen Transfagarasan, einer der spektakulärsten Hochstraßen Europas. Die insgesamt fast 120 Kilometer lange Straße führt in scharfen und engen Serpentinen in einer atemberaubenden Bergkulisse den Pass hinauf bis auf 2.042 Meter. Die Transfagarasan verbindet dabei die Provinzen der Großen Walachei mit Siebenbürgen bzw. Transsilvanien. Sie wurde zwischen 1970 und 1974 erbaut. Dabei wurden bei Sprengungen insgesamt unglaubliche 6 Millionen Kilogramm Dynamit verwendet. Zuvor waren schließlich nur Bergpfade und Forstwege in der hochalpinen Karpaten Landschaft vorhanden. Ursprünglich diente die Hochstraße im sozialistischen Zeitalter einem militärischen Zweck und sollte schnelle Truppenbewegungen über das Hochgebirge zulassen. Zunehmend wurde sie jedoch touristisch genutzt. Beim Bau verloren sehr viele Bauarbeiter ihr Leben, man sagt bis zu 400. Heute ist die oftmals auch als "schönste Straße der Welt" bezeichnete Transfagarasan schlichtweg ein Meisterwerk der Baukunst und einer der schönsten Orte die man in Rumänien erleben sollte. Denn tatsächlich ist hier alleine das Fahren schon ein wahres Erlebnis. Nicht nur die kurvenreiche Streckenführung, sondern vor allem die abwechslungsreiche Landschaft zeigt die ganze Vielfalt der rumänischen Natur. Die Straße führt vorbei an blühenden Feldern, durch urwüchsige Wälder, vorbei an funkelnden Seen bis unter die Gipfel der höchsten Berge der Karpaten. Aufgrund der Witterung ist die komplette Strecke jedoch nur von Juli bis Oktober befahrbar. Wer viel Verkehr vermeiden möchte, sollte die wunderschöne Passtrasse unter der Woche und außerhalb der Ferienzeit befahren. Ansonsten ist eine Automatik Schaltung dein bester Freund.
Auf dem höchsten Punkt der Transfagarasan angelangt, erreichen wir unmittelbar den Balea Lac, einen der schönsten Bergseen der Karpaten. Im grün schimmernden Gletschersee spiegeln sich die Gipfel der umliegenden Bergwelt. Es wäre tatsächlich ein wahres Naturparadies, wenn die etwas ausufernde touristische Infrastruktur um den Balea See nicht wäre. Während die idyllisch gelegene Balea Hütte noch sehr einladend wirkt, säumen den Parkplatz unzählige Verkaufsstände und Souvenirshops. Gerade am Wochenende ist hier dann Hochbetrieb. Aber das ist eben der Preis der Transfagarasan. Außerhalb des befahrbaren Zeitraums ist der See übrigens nur vom Norden über den Balea Wasserfall mit der Seilbahn erreichbar. Vom Balea See selbst führen etliche Wanderwege und Steige hinauf zu den über 2.500 Meter hohen Gipfeln der südlichen Karpaten. Dort entfliehen wir den vielen Menschen und Autos am Seeufer. In der Ruhe und Stille offenbaren sich atemberaubende Ausblicke auf den See und die grünen und schroffen Hänge des sogenannten Fagaras Gebirges.
Wir bleiben weiter auf der Transfagarasan, die einige der schönsten Sehenswürdigkeiten des Landes miteinander verbindet. Wir fahren Richtung Süden, Richtung Arges. In Serpentinen geht es wieder bergab. Schon bald erreichen wir die Baumgrenze. Und hier warten sie, die frei lebenden Bären! Direkt und unmittelbar am Straßenrand sitzen sie und beobachten in aller Seelenruhe die langsam vorbei rollenden Autos. Fast zahm und zutraulich wirken die riesigen bis zu 600 Kilogramm schweren Braunbären. Oftmals ein fatales und falsches Zeichen. Denn es handelt sich tatsächlich um wilde und ungezähmte Tiere, die rein ihrem Instinkt folgen. Und ihr Instinkt sagt ihnen, dass es hier etwas zu Essen gibt. Die oft als "Bettelbären" verspotteten Tiere warten nämlich auf Nahrung, die viele Autofahrer, leider und trotz Verbotsschildern, hinaus werfen. So wurden viele Braunbären mit Äpfel, Bananen oder Orangen angefüttert. Für uns ist es ein einmaliges Erlebnis fast hautnah den wilden Tieren gegenüber zu stehen, nur getrennt von einer dünnen Autoscheibe. Vor allem Bärenmütter können jedoch ein sehr aggressives und unberechenbares Verhalten zeigen. Daher ist es zuletzt keine Seltenheit mehr gewesen, dass Menschen aufgrund fehlenden Abstands und Respekts vor den Tieren zu Tode kamen. Der Bär schützt nur seinen Lebensraum, in den der Mensch eingedrungen ist, das sollte man sich immer bewusst sein. Wenn Mensch und Tier also miteinander in "friedlicher" Co-Existenz leben wollen, muss der Mensch Rücksicht und Respekt vor dem natürlichen Lebensraum dieser faszinierenden Tiere zeigen. Inzwischen werden bis zu 10.000 frei lebende Braunbären in Rumänien geschätzt. Das führt zwangsläufig, dass sich die Wege von Mensch und Tier kreuzen. Bei einer unmittelbaren Begegnung mit einem Bären wird empfohlen Ruhe zu bewahren, sich langsam zurückzuziehen und keine plötzlichen Bewegungen zu machen. Und dennoch ist eine unerwartete Begegnung mit einem Bär relativ unwahrscheinlich, denn grundsätzlich gelten Bären als scheu. Nur an der Transfagarasan kann man von dieser Scheuheit eben wenig beobachten, dafür erlebt man dort mit den gewissen Sicherheitsmaßnahmen (geschlossene Scheiben, kein Aussteigen, kein Füttern) einzigartige und unvergessliche Momente und ist den mächtigen Braunbären wohl so nah wie sonst nirgendwo auf der Welt. Ein Erlebnis für die Ewigkeit!
Unser nächster Halt ist der wunderschöne und über 100 Meter tiefe Vidraru Stausee. Der künstlich zur Stromerzeugung angelegte See liegt am Ende der Transfagarasan Richtung Süden und zeigt nochmals die ganze landschaftliche Schönheit des Landes. Der fast fjordartige See ist umgeben von tiefen Wäldern und die Gipfel des Fagaras Gebirges spiegeln sich auf der glatten Wasseroberfläche. Die Felsen und Klippen fallen steil ins Wasser hinab, während sich in der Ferne weiße Kiesbänke an das Ufer schmiegen. Ein toller Ort für einen Stop und einen kurzen Spaziergang auf der Staumauer. Durch einen alten Tunnel führt uns der Weg weiter oberhalb des Sees entlang. Von dort erhalten wir immer wieder tolle Ausblicke und genießen das grandiose Panorama.
Zum Abschluss unserer Rundreise wollen wir noch einen dieser Orte besuchen, die für viele Rumänen so bedeutsam sind. Das Kloster Curtea de Arges befindet sich unterhalb der Transfagarasan in der Provinz Arges.
Es wurde zwischen 1515-1517 von Neagoe Basarab als orthodoxes Kloster erbaut. Die bischöfliche Kathedrale ist eines der berühmtesten Baudenkmäler in der Walachei. Die Kathedrale ist in der Liste der historischen Denkmäler Rumäniens enthalten.
Das Kloster wurde einst im byzantinischen Stil erbaut und offenbart im Inneren wunderschöne Fresken und Wandmalereien.
Die Bedeutung des Klosters lässt sich daran erahnen, dass sich die Gräber der Königsfamilie darin befinden.
Am Ende verlassen wir das vielfältige Herz Rumäniens mit unvergesslichen Eindrücken. Eine spannende Reise durch alte Kulturen, wilde Natur und magische Landschaften, in einem Land, das eines der letzten Abenteuer Europas bietet!
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